Frauensolidarität: Kann Tee die Welt verändern?

Frauensolidarität: Can Tea Change The World?

Wie ein Sozialunternehmen den Status Quo bei Tee, Handel und Beschäftigung in Ostafrika aufbrechen will

Ein Dutzend Frauen in grünen Uniformen versammelt sich um einen langen Tisch. In der Luft liegt der Duft von Kardamom, Zimt und anderen tropischen Gewürzen von der nahegelegenen Insel Sansibar. Flinke Hände sortieren Teeblätter und Gewürze, wiegen Mengen akribisch ab, um sicherzustellen, dass das Mischungsverhältnis stimmt. So sieht der Produktionsraum von Kazi Yetu in Dar es Salaam, Tansania aus. Hier werden hochwertige Teemischungen der ersten Marke des Unternehmens, Tanzania Tea Collection, für den lokalen und internationalen Markt hergestellt.

Tahira Nizari und Hendrik Buermann gründeten das Sozialunternehmen 2018 mit dem Ziel, lokale Wertschöpfungsketten in Tansania aufzubauen und die Art und Weise zu verändern, wie Produkte global produziert und gehandelt werden. Beide verfügen über langjährige Erfahrung im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und zogen nach ihrer Heirat in das ostafrikanische Land Tansania, wohin Nizari familiäre Bindungen hat. Ihre Vorfahren wanderten um 1900 von Indien nach Ostafrika aus und ihre Mutter wuchs im Norden Tansanias auf. Nizari und Buermann nannten ihr Sozialunternehmen „Kazi Yetu“, was auf Swahili, der Landessprache Tansanias, „Unsere Arbeit“ bedeutet.

„Wir möchten zum einen das Einkommen der Kleinbauern durch Premiumpreise für die Zutaten verbessern und zum anderen durch unsere eigene Teeherstellung fair bezahlte Arbeitsplätze insbesondere für Frauen außerhalb der Landwirtschaft schaffen“, beschreibt Tahira Nizari die Gründungsidee.

Ein Unternehmen für Frauen

Umso stolzer ist Tahira Nizari, dass Kazi Yetu in Tansania eine Vorreiterrolle einnimmt, wenn es um Frauenförderung und Geschlechtergerechtigkeit geht. 22 ihrer derzeit insgesamt 26 Mitarbeiter sind weiblich. Sie sieht vor allem die Verantwortung der Unternehmen, Frauen proaktiv in alle Ebenen eines Unternehmens zu bringen und gezielt zu fördern. „Wir fördern die Führungsqualitäten unserer Mitarbeiter mit einem speziellen Teamleiteransatz. Mit Unterstützung können Frauen ihre Fähigkeiten schrittweise weiterentwickeln und ihr Selbstvertrauen steigern“, sagt Tahira Nizari.

Die meisten der 17 Mitarbeiterinnen in der Produktion sind alleinerziehende Mütter und haben mit besonders vielen Herausforderungen zu kämpfen. Bei Kazi Yetu verdienen sie mehr als das Doppelte des Mindestlohns und sind renten- und krankenversichert. Zudem können die Frauen ein zinsloses Darlehen beantragen, das über einen vereinbarten Zeitraum zurückgezahlt wird.

Obwohl Tansania seit Juni 2021 von der Weltbank als Land mit unterem mittleren Einkommen eingestuft wird, lebt noch immer mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Armut. Besonders betroffen sind Frauen, wie die Integrierte Arbeitskräfteerhebung 2020/21 zeigt: Frauen verdienen weniger, sind häufiger in prekären Jobs beschäftigt und häufiger arbeitslos.

Die Zahlen im Bericht decken sich mit den persönlichen Erfahrungen der Kazi Yetu-Mitarbeiter. Ein großes Problem sei die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern trotz gleicher Tätigkeit und Qualifikation, sagt Modesta Kaboyoka, dortige Managerin. Zudem seien in Tansania vor allem Frauen für Familie und Haushalt verantwortlich. So habe eine Frau aufgrund familiärer Verpflichtungen möglicherweise nicht die Möglichkeit, eine Vollzeitstelle anzunehmen, obwohl sie das gerne würde. „Leider werden die meisten Frauen auch nicht als Führungskräfte angesehen“, ergänzt Kalili Kafuku, Vertriebsleiterin bei Kazi Yetu. So sei es nicht verwunderlich, dass in der Vergangenheit 80 Prozent der Bewerber für Führungspositionen bei Kazi Yetu Männer waren, obwohl das Sozialunternehmen Frauen bei jeder Stellenausschreibung ausdrücklich zur Bewerbung ermutigt.

Internationaler Teehandel

Als Exportunternehmen ist Kazi Yetu auch in internationale Handelsbeziehungen eingebunden und weiß daher aus erster Hand, wie herausfordernd es ist, wirtschaftliche Gewinne vom Globalen Norden in den Globalen Süden umzuverteilen. Der Anbau der Teeblätter erfolgt entweder auf Teeplantagen oder auf den Feldern der Kleinbauern. Nach den ersten Verarbeitungsschritten, die bei frisch geernteten Teeblättern innerhalb weniger Stunden erfolgen müssen, wird der Großteil des Tees als unraffinierte Massenware auf Auktionen oder direkt an Händler verkauft. Die Produzenten erhalten dabei nur einen minimalen Teil der Summe, für die der Tee verkauft wird.

Ist eine Teeplantage Fairtrade-zertifiziert, erhalten die Produzenten einen garantierten Mindestpreis, der über dem Marktpreis liegt, eine Fairtrade-Prämie und im Falle einer Bio-Zertifizierung eine Bio-Prämie. „Aber genau hier wollen wir noch einen Schritt weitergehen, denn das Fairtrade-System hat noch immer einen starken Fokus auf die landwirtschaftliche Produktion. Der Aufbau lokaler Wertschöpfungsketten steht hier leider nicht im Mittelpunkt“, sagt Tahira Nizari. Die Förderung der lokalen Wertschöpfung und die damit verbundene Schaffung von Arbeitsplätzen außerhalb der Landwirtschaft macht umso mehr Sinn, wenn man sich die Arbeitslosenzahlen in Tansania ansieht. Diese sind in Städten höher als in ländlichen Regionen, bei Frauen sogar dreimal so hoch. 9 Prozent der Frauen sind auf dem Land arbeitslos, in Daressalam sind es dagegen 29 Prozent. Anstatt also weiterhin Agrarprodukte als Rohstoff zu exportieren, sollte auf Weiterverarbeitung gesetzt werden. Denn jeder zusätzliche Schritt im Verarbeitungsprozess bedeutet mehr Gewinn vor Ort und kann die Förderung von Frauen ermöglichen.

***Dieser Text ist die englische Übersetzung des Artikels „Kann Tee die Welt verändern?“ die im Juni 2022 in der österreichischen Zeitschrift Frauen*solidarität veröffentlicht wurde ( frauen*solidarität 2/2022 ).

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